Nur, um eventuelle Mißverständnissse gleich zu Anfang aus der Welt zu schaffen: Ich habe nichts gegen Sport-Großveranstaltungen. Ich liebe Mannschaftssportarten, war 20 Jahre lang bekennender Eishockey-Fan der DEG, singe mit Wonne und tiefer Inbrunst «Cologne, Cologne — die Scheiße vom Dom» oder «7 Tage brennt der Kölner Dom». Mein DEG-Pullover aus den 70er Jahren mit all den Aufnähern und Unterschriften von Kö-Kö-Köberle, des Meistersturms Chris Valentine, John Peter Lee und Benoit Doucet und dem Meistertorwart Helmut de Raaf liegt, jederzeit griffbereit, im Schrank.
Bei Auswärtsspielen haben mich gegnerische Fans mit vollen Bierbechern beworfen — nun ja, ehm. Ich war sehr jung, hatte einen sehr bissigen Humor und war sehr aufbrausend, die Becher flogen also zu recht. Aber es ging nicht ums Recht, es ging ums Prinzip. Ich stand Rücken an Rücken mit meinen damals besten Freunden Andy und Jürgen auf der Bolkerstraße in der Düsseldorfer Altstadt, unsere Freundinnen in der Mitte, als die Kölner Hools des 1. FC Köln heranstürmten und ich habe gegen einen Rosenheimer im Armdrücken verloren und mußte eine Runde mit 20 Glas Altbier bezahlen — dreimal insgesamt. Denn ich wollte nicht glauben, daß er, der einfache Schlosser, besser war als ich, die Schriftsetzer-Geistesgröße. Er hat es mich dann gelehrt. Oder besser: Er hat es mir gelernt, wie er es damals ausdrückte. Ächtz…
Nun ja. Das ist alles lange vorbei. Heute bin ich ruhiger, von Jähzorn oder Aufbrausen kaum noch eine Spur. Ich bin vorzeigbar geworden, bin domestiziert. Aber immer noch liebe ich die Atmosphäre in den Stadien, die rituellen Schlachtgesänge, die Gruppen der Jungs, die nach dem Spiel die Düsseldorfer Altstadt besetzen. Sie sind keine Hooligans, sie sind gute Jungs. Aber sie sind jung und wild und ungestüm. Und der späte Abend nach einem Heimspiel ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ihnen moralisierend zu kommen. Das geht nicht gut. Machen Sie gute Miene zum nicht allzu bösen Spiel und vor allem: Gehen Sie nach Hause, bevor der Alkoholspiegel steigt und die Jungs beginnen, sich aufzupumpen.
Weltmeisterschaften schaue ich mir lieber im Fernsehen an. Früher schon, heute erst recht. Man sieht einfach besser. Öffentliche Leichenbeschau — ich habe bis heute nicht verstanden, warum man diese Public Viewing-Veranstaltungen so nennt — sind nicht so mein Ding. Vielleicht stammt der Begriff aus der Gothic-Szene? Ich weiß es nicht. Komische Welt.
Den gesellschaftlichen Stellenwert des Fußballs beschreibt für mich der Ex-Bundestrainer Berti Vogts am besten. Ich sage auch nix über oder gegen Dennis Aogo, Serdar Tasci, Jérôme Boateng, Sami Khedira, Jeronimo Maria Barreto Claudemir da Silva = Cacao. Das ist eine BRD-Veranstaltung, Mensch. Ich sage ja auch nichts gegen Herrn Arif Ünal, dem Landtags-Abgeordneten der NRW-Grünen:
Denn jetzt zählt nur noch: Der Ball ist rund und das Runde muß ins Eckige. Paßt.
In diesem Sinne: Laßt uns infantil werden und für die Zeit der Spiele allen Zwist vergessen (Brot gibt’s günstig in Harrys Brotfabrik. Der ganze Kreisel der nahegelegenen Autobahnauffahrt riecht immer so toll nach deren Geschmacksverstärkern).
Jetzt ist das erste Spiel der WM 2010 schon vorbei. Südafrika spielte 1:1 gegen Mexiko. Das erste Tor der WM schoß Siphiwe Tshabalala für Südafrika. Glückwunsch, Junge.
Was mich stört: Die Zuschauer blasen praktisch durchgehend auf Plastiktröten. Der erzeugte Laut eine eine solche eindringliche Frequenz, daß sie als Hintergrundgeräusch bei der ARD-Diskussion zum Spiel durch das Team Delling & Netzer wie ein großer Haufen Schmeißfliegen klang. Irgendwie sollten sie das Mundstück dieser Tröten umbauen, sag‘ ich als selbsternannter Medienfachmann. Ich dachte zuerst, sie betreiben die Dinger mit Preßluft und freute mich schon, weil deren Kartuschen im Dauerbetrieb höchstens 20 Minuten halten. Aber nein, sie blasen… wie sagt man? manuell? Oral? Ich weiß nicht.
Oar, das sind doch nicht einfach Plaaastiktröten *an den Kopf fass* Das sind Vuvuzelas!
Waka, waka!