Ich hatte mir doch vorgenommen, ab sofort alles nachzuholen, was ich meine, im Leben bisher verpaßt zu haben, Sie erinnern sich? Entsprechende Briefe mit der Bitte um Terminvorschläge an Michelle Hunziker, Shakira und auch Sinead O’Connor sind schon verschickt. Bevor ich nun also unter Zeitdruck stehe, habe ich mir heute einen langgehegten Wunsch erfüllt und Jakobsmuscheln zubereitet. Waka, waka!
Da es sich um einen Erstversuch handelte, war mir ganz wichtig, den Geschmack nicht zu überlagern, sondern eher noch herauszuarbeiten.
Zutaten:
2 kleine Jakobsmuscheln
2 sehr kleine Lachsfilets
Salz, Pfeffer, Zitronensaft, Knoblauch, Schalotten
Beilagen:
Kleiner Salat aus Paprika, Mais, Kidney-Bohnen in Essig/Öl, Salz, Pfeffer.
1 Baguettini-Hälfte mit Butter und grobem Salz
Dip aus Frischkäse, Salz, Pfeffer, Basilikum
Das gesamte Menu sollte dem Motto folgen «Weniger ist mehr.»
Zunächst habe ich in einer kleinen Pfanne unter mäßiger Hitze etwas Butter ausgelassen und darin kleingeschnittene Schalotten langsam glasig werden lassen. Mehr dem Gefühl als der Logik folgend, habe ich je zwei sehr kleine Lachsfilet-Stücke und zwei halbe Jakobsmuscheln gemeinsam auf die angedünsteten Zwiebeln gelegt. Ich hatte zunächst erwartet, daß die Konsistenz des Lachses fester sei, also auch eine längere Garzeit benötige. Dem war aber nicht so. Die im Rohzustand glasig aussehenden Jakobsmuscheln nehmen recht schnell eine weiße Farbe an, ähnlich hellem Hähnchenfleisch, das man anbrät. Ich habe zunächst die Jakobsmuscheln beidseitig kurz angebraten und dann auf den Zwiebeln etwas schlummern lassen, damit sie nicht in direkten Kontakt zum Pfannenboden kommen und womöglich anbrennen.
Die Garzeit betrug etwa 8 Minuten (auf kleiner Flamme). Danach waren sowohl die Lachsstücke, als auch die Jakobsmuscheln leicht bräunlich angebraten, im Inneren aber nicht durchgebraten — so soll es sein. Erst jetzt habe ich den Knoblauch hinzugegeben (er kippt leicht um, wenn man ihn von Beginn an mitbrät, wird bitter) und auch jetzt erst habe ich die Jakobsmuscheln von beiden Seiten ganz leicht gesalzen und ganz wenig gemahlenen Pfeffer hinzugegeben. Je ein Spritzer Zitrone rundet das Bild ab.
Um mich beim Essen auf die Hauptsache, also die Jakobsmuscheln, konzentrieren zu können, habe ich auf großartige Beilagen verzichtet. Ein kleiner Salat aus Paprika, Mais, Kidney-Bohnen mit Essig und Öl, Salz und Pfeffer. Dazu ein Dip aus Frischkäse mit frischem Basilikum. Damit kann man nichts falsch machen. Dann noch ein halbes Baguettini mit frischer Butter bestrichen und grobem Salz bestreut.
Allein schon das Anrichten auf der ovalen Porzellan-Platte war eine Freude. Bewußt habe ich die Zwiebeln weggelassen. Sie sollten ihren Geschmack nur an die Fisch- und Muschelfilets weitergeben. Zwei Eßlöffel des in der Pfanne enstandenen Suds sollten den Geschmack abrunden.
Wie hat es geschmeckt? Vor allem: Wie schmeckten die Jakobsmuscheln?
Ich sage, wie es ist: Ich liebe Meeresfrüchte, aber etwas so gutes habe ich schon seit langem nicht mehr gegessen. Das Fleisch der Muscheln hat nach dem Braten eine erstaunlich feste Konsistenz, durchaus der des Lachs nahekommend. Aber viel frischer. Sie zergehen einem praktisch auf der Zunge. Ich kann es tatsächlich nur mit einem Bild beschreiben:
Ich schließe die Augen und sehe Lothar Buchheim, der mit mir auf der Terrasse eines Hafenlokals von La Rochelle sitzt. Wir schauen beide etwas griesgrämig-melancholisch drein, denn wir vermissen den guten Wein. Ich, weil ich nie Alkohol trinke, aber wenn, dann würde ich mir unglaublich gern genau mit diesem widerborstigen, leicht aufbrausenden, so ungemein interessanten Mann einmal so richtig die Kante geben. Und Buchheim, naja, Buchheim schaut immer so.
Wir tragen schwere Lederjacken, bequeme, weiße Leinenhosen mit Schlag, keine Strümpfe, Slipper. Er raucht ein Zigarillo, ich drehe mir eine Gauloise. Und wir schauen hinüber zum U-Boot Bunker, aus dem so viele unserer U-Bootleute ausfuhren, von denen jedoch 90 Prozent vor dem Feind blieben. Wir essen Männerportionen gebratener Jakobsmuscheln, sprechen wenig — Männer müssen nicht reden, wenn sie beieinander sitzen — und hängen unseren Gedanken nach. Wir sind satt, wir leben, es geht uns gut und wir trinken gutes Volvic, schauen Antoinette nach, die unsere Gläser neu gefüllt hat.
Jakobsmuscheln stehen ab sofort fest auf meinem Speiseplan. Oh je. Die Teile sind nicht billig, kosten etwa 2 Euro pro Stück. Also weniger als ein McDonald-Menue. Aber da ich sowieso niemals zu McDonald gehe, bekomme ich das schon hin, oder?
Deine „Antoinette“ ist eine Britin und heißt Emma Watson oô eine der Hauptdarstellerinnen bei Harry Potter.
So what? Seitdem bekommt sie keine neuen Rollen mehr und kellnert in La Rochelle. Schau Dir bitte ‚mal eine Karte von Westeuropa an, dann wirst Du verstehen, weshalb gerade dort. Und die Kellnerinnen in La Rochelle heißen alle Antoinette. Pffttt…
Hallo,
‚komme gerade unter meinem Stuhl hervorgekrochen, wo ich den Saiwer aufwischen musste, den ich beim Lesen produziert hatte!
Ich habe mich zuerst gewundert, wie denn die Jakobsmuscheln durch das Muschelgehäuse hindurch so schnell braun und gar werden können! Das Photo hat das Missverständnis aber aufgeklärt!
Ihre Handhabung des Knoblauchs ist eine probierenswerte Alternative, da der Geschmack sicherlich frischer ‚rüberkommt. Die Italiener – so habe ich es zumindest bei der alten Mama auf Elba gelernt – beginnen jedes (wirklich Jedes!) Gericht mit dem Erhitzen von Olivenöl, dann kommt Knoblauch hinzu und dann – wenn genug Geld da ist bzw. notwendig – Zwiebel. Der Knoblauch darf natürlich nicht schwarz werden sondern nur knusprig braun und die Zwiebel glasig. So ist also schonmal der typische, sekretfördernden Geruch, der zu entsprechenden Zeiten die engen Gassen der toskanischen Dörfer und Städte durchzieht, produziert und eine herzhafte Grundlage für die darauf aufbauende Speise geschaffen!
Dazu kommt dann entweder oder, je nach Bedarf einzeln, sonst zusammen: Tomaten, Zucchini, Aubergine, Möhre, Bietola (sehr lecker), Kartoffel, Fisch, Muschel, Tintenfisch, Gekack- (äh) Gehacktes usw. oder es wird ein Bistecca alla fiorentina darin kurz gewendet und – wenn möglich als Krönung – auf den Grill gelegt.
Bei solchen Genüssen habe ich allerdings wenig Zeit und Muße, nach meiner Begleitung oder gar der Kellnerin zu schauen!
Mahlzeit!
Thomas Kersting