Zunächst — soviel Eigenwerbung muß sein — möchte ich darauf hinweisen, daß der Preußen-Blog schon einen Tag vor dem Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler auf die Diffamierungskampagne der Opposition, angeführt vom Ex-Kommunisten Jürgen Trittin und derzeitigem Grünen-Fraktionsvorsitzenden, hingewiesen hatte.
Nehmen wir das Fallbeispiel des Horst Köhlers doch einmal, um ein klein wenig die Mechanismen aufzuzeigen, nach denen der Parlamentarismus, dieses Bollwerk der Demokratie, funktioniert.
Horst Köhler wurde 1943 im polnischen Skierbieszów geboren. Seine Familie stammt aus Bessarabien in Rumänien, gehörte zur unterdrückten deutschen Minderheit. Heute sagt Horst Köhler — und ich glaube ihm das —, daß er [der deutschen Gesellschaft, dem deutschen Volk]
aus Dankbarkeit für das, was ihm ermöglicht wurde, etwas habe zurückgeben wollen und aus diesem Grund das höchste Amt der Bundesrepublik annahm. Ich glaube ihm das wirklich, denn gerade einmal vier Jahre vor der Geburt des Horst Köhlers hat sich mein eigener Vater im Alter von gerade einmal 17 Jahren als Freiwilliger zur Wehrmacht gemeldet. Auch er gehörte der deutschen Minderheit in Polen an. Die Einstellung des Herrn Köhlers, nämlich Dankbarkeit zu empfinden für das, was ihm ermöglicht wurde von der Gemeinschaft — nennen Sie sie von mir aus Gesellschaft, ich nenne es Volk — ist den Nachkriegsgenerationen weitestgehend unbekannt. Wir leben in einer Ich-Gesellschaft und die bloße Erwähnung früherer Zeiten ohne strikte Distanzierung läßt die Gutmenschen die Nazi-Keule schwingen — siehe Teil I der kleinen Horst Köhler-Serie in diesem Blog.
Gleich nach Bekanntgabe des Rücktritts durch Horst Köhler begannen seine Kritiker, die zuvor initiierte Diffamierungskampagne zu dementieren. Jürgen Trittin hob in einem Fernsehinterview die Verdienste des Bundespräsidenten in seinem Einsatz für Afrika hervor, sprach von dessen Dünnhäutigkeit bei Sachkritik — er meinte damit z.B. seinen humorvollen Vergleich des Horst Köhlers mit dem durch Krankheit schon debilen Vorgänger, Heinrich Lübke. So etwas müsse ein Politiker doch abkönnen. Herr Wirtschaftsminister Brüderle wies darauf hin, daß Berufspolitiker wie er selbst (Hohohoooo… und ’ne Buddel voll Rum. Ach, was bin ich für’n harter Knochen, ey…) solchen Angriffen seit Jahrzehnten ausgesetzt seien und dennoch tapfer an ihrem Stuhl klebten, um nicht ihre Pensionsansprüche und Nebeneinnahmen zu verlieren. Vorbildlich, Herr Brüderle. Welch‘ schöne Begründung nach dem Motto «Warum es richtig ist, ein Charakterschwein zu sein.». Mao-Tse-Fischer, der sich nach seiner Zeit als Außenminister mit seiner vierten Noch-Ehefrau nach Nordamerika absetzte und dort eine hochdotierte Gastprofessur übernahm, stellte die These in den Raum, daß sich nun in der BRD die Politiker aus dem Staube machen, weil unangenehme Zeiten anbrechen, stellte Horst Köhler neben Ministerpräsident Koch aus Hessen, der ebenfalls zurückgetreten ist — wenn auch aus völlig anderen Gründen. Was für eine Karriere, Herr Fischer. Vom bekennenden Linksextremisten zum Aushängeschild der Gutmenschen-Partei; vom Außenminister zum Gastprofessor. Dazwischen einen Krieg auf dem Balkan angezettelt und Sekt gesoffen mit den Sozen und Hartz IV miteingeführt. Wie tief, Herr Fischer, kann man eigentlich noch sinken? Vielleicht hast Du ja selbst Ambitionen auf vom Grundgesetz kastrierten Job des Bundes-Grüßonkels? Ehrlich jetzt: Ich würde auswandern.
Heute Mittag erklärte uns Heribert Schwan im WDR II, warum der Bundespräsident Köhler sowieso schon häufig völligen Unsinn erzählt habe. So habe Köhler vorgeschlagen, einmal über eine Änderung des Prozedere zur Wahl des Bundespräsidenten nachzudenken und eine Direktwahl durch das Volk ins Gespräch bringen wollen. Jedes Schulkind wisse doch, daß genau dies in der Weimarer Republik direkt in den Nationalsozialismus geführt habe. Lieber Herr Schwan, Sie polemisieren. Und da Sie im WDR-Gespräch auch noch als ausgewiesener Historiker bezeichnet wurden, ist «polemisieren» noch die harmlosere Beschreibung. Treffender wäre, deutlich zu sagen: Sie bescheissen die Hörer. Die außerordentlichen Befugnisse des Reichspräsidenten, den Reichskanzler zu ernennen und mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen bzw. eine Regierung zu entlassen, gab dem Amt eine einer Demokratie nicht angemessene hohe Machtbefugnis, die geradezu den Mißbrauch herausforderte. Dies war eine der maßgeblichen Fehlkonstruktionen der Weimarer Republik und nicht, wie Sie behaupten, das Prozedere der Direktwahl des Reichspräsidenten durch das Volk — ich bezeichne das eher als mustergültig demokratisch.
Ihr Schein-Argument wird halt sehr gern von der heutigen Politiker-Mischpoche und Pseudo-Historikern wie Ihnen verwendet, um das Volk von direkter Mitbestimmung abzuhalten und die Parteien-Diktatur aufrecht zu erhalten. Herr Historiker Schwan, Sie nannten Herrn Köhler unfähig und naiv. Ich nenne Sie einen Schwätzer, der einem Horst Köhler nicht das Wasser reichen kann.
In diesem zweiten Teil der kleinen Serie «Horst Köhler und der BRD-Parlamentarismus» haben wir nun also lernen können, wie man zunächst einen hohen Politiker diffamiert (Im Privatleben nennt man so etwas Mobbing) und wie man sich dann, wenn der Betroffene sich fragt, warum er sich dem eigentlich aussetzen soll und die Konsequenz zieht, als Diffamierer elastisch aus der Bedrouille manövriert, indem man den Zurückgetretenen vordergründig für seine Verdienste lobt und ihn durch einen dritten, «unabhängigen» Experten parallel demontieren läßt. Nein, natürlich gibt es hier keine direkte Absprache. Das ist doch gar nicht nötig. Das sind gesellschaftspolitische Phänomene, die man in Ruhe abwarten kann, weil sie einer Eigendynamik folgen. Lerne: Wenn jemand scheinbar schutzlos ist, wird sich immer jemand finden, der ihm gern und ausführlich öffentlich in die Eier tritt. Hauptsache, man kann es als «sachliche Nachbetrachtung» kaschieren.
Ach übrigens, damit ich nun nicht in den Geruch gerate, ein Parteigänger des Herrn Köhlers zu sein: Ich erinnere an meinen Anspruch an mich selbst, wenn ich festzustellen meine, daß jemand ungerecht behandelt wird: Ich stelle mich an seine Seite, stärke ihm den Rücken. Das mache ich für jeden Schwulen, Zigeuner, Juden — und auch für den Herrn Ex-Bundespräsident Horst Köhler. Ehrensache 😉
Bis demnächst in diesem Theater, wenn es heißen wird: Wen wählen wir nun für das höchste Amt der BRD? Ein Schauder der Größe wird Herrn Gockel Guido Westerwelle erfassen ob der Wichtigkeit dieser seiner Entscheidung. Schon werden die ersten Namen in den Ring geworfen: Campino von den Toten Hosen wurde genannt, Edmund Stoiber, der SPD fällt sowieso nichts neues ein, sie wird Gesine Schwan vorschlagen. Möglich ist vieles. Zum Bundespräsident kann gewählt werden, wer das 40. Lebensjahr vollendet hat und wer Pass-Deutscher ist. Also könnte doch auch Cem Özdemir, bekennender Schwabe und im Vorstand der Grünen… das bißchen Spesen-Bescheisserei zählt doch nicht wirklich? Mal ehrlich: Wer bescheißt denn nicht? Außer Ihnen und mir natürlich. Is‘ klar, ne?
Den letzten Brüller aber muß ich neidlos Herrn Historiker-Schwätzer Heribert Schwan überlassen. Der meinte heute Mittag im WDR II-Gespräch, man müsse einen Polit-Parteienprofi ins Amt wählen, nicht ein parteipolitisch unbeschriebenes Blatt wie Horst Köhler. Er schlug also mit vollem Ernst Frau Zensursula von der Leyen vor. Da kann ich nur sagen: Ach, Horsti, überleg’s Dir doch noch einmal, bitte.
Vielleicht sollte man Stefan Raab mit einer Casting-Show à la „Unser Mann für Bellevue“ beauftragen … 😉
Viele Grüße und toi toi toi,
Jürgen
Wann jagen wir endlich unsere Politiker aus dem Berlin-Tempel.
Wann gehen wir endlich mal wieder auf die Straße.
Uns fehlen Leute, die auch im Westen mal laut sagen: *Wir sind das Volk*
Hier ist es bisher noch nicht einmal verboten.
MfG Günter Horn