Preußisches Bleisatz-Magazin
Messer raus

17. Mai 2011: Offener Brief an Fränkie, unseren Falli 11.038 views 7

Es ist schon in Ordnung, wenn Du jetzt Fränkie genannt werden willst und nicht mehr auf Frank hören magst, den Namen, auf den Du getauft bist. Aber an die Ami-Schreibweise, mit der Du Deine Briefe unterschreibst, mag ich mich nicht mehr gewöhnen. Dein Bruder Maik — Gott hab‘ ihn selig — hat ja auch so einen Ami-Namen. Deine Mutter mochte dessen Klang, warum, weiß ich nicht. Mir war’s recht, wie alles, was Deine Mutter so an Ideen ausgebrütet hat in den letzten 30 Jahren. Stört ja niemanden. Und in der deutschen Schreibweise weiß jeder, wie man’s ausspricht.

Du bist also nach Afghanistan, Fränkie. Gut, damit mußten wir alle wohl rechnen, als Du Dich vor vier Jahren entschlossen hast, Berufssoldat zu werden, wie es ja in unserer Familie Tradition hat. Eigentlich waren wir ja immer Landser, Panzergrenadiere — na, bis auf Deinen Urgroßvater, den Du nicht mehr kennengelernt hast. Ist ja auch schon lange her, daß er im Baltikum gefallen ist im Jahre 1920, im Kampf gegen die Russen und die Polen. Der war Fußlatscher und später Pionier. «Brückenbauer wollt‘ ich immer werden», hat er oft erzählt, «stattdessen hab‘ ich sie dann mit ’ner Haftladung plattgemacht im Großen Weltenbrand.» Da gab’s noch die Kaiserliche Armee. Hundertfuffzichsten hat Wilhelm Zwo im letzten Jahr gefeiert. Gestorben ist er aber fern der Heimat in Belgien, wohin er stiften ging, als Neunzehnachtzehn Schluß war mit der Herrlichkeit. Dein Großvater und ich, Dein Vater, ja, wir waren Panzergrenadiere. Der Alte hat noch 1965 mit ’nem duhnen Kopf das Lied der Panzergrenadiere gesungen.  Ich selbst beim Bund dann auch. Aber eine andere Version. War zwar Kalter Krieg, aber wir hingen ja nur in der Kaserne ‚rum und haben gesoffen und halt ab und zu gesungen. Damals kannte ich ja Deine Mutter schon. Mehr als singen war also nich‘ — verstehst schon, Sohn…  Aber Freiwillige waren wir alle. Für wen? Gute Frage. Für Deutschland, für’s Vaterland. Aber daß das bei mir nicht mehr so recht stimmte, hab‘ ich schon lange vor’m Ende von Z12 gelernt. Is‘ nich‘ mehr mit Vaterland, Sohn. Is‘ nur noch für die Bonzen.

Wie? Ja, stimmt. Das hab‘ ich Dir immer gesagt und zu Maik schon vorher. Aber Ihr wolltet ja durch die Wand mit Euren verdammten Friesenschädeln. Naja, wo Ihr das wohl her habt? Egal jetzt. Wenn Ihr wenigstens nicht zu den Fallis gegangen wärt. Höchste Verlustquote aller Waffengattungen, einfach Wahnsinn. Ich hab‘ Dir die Geschichte erzählt von den drei Brüdern von Blücher. Drei Brüder, drei Fallschirmjäger, alle gefallen am selben Tag bei der Eroberung von Kreta 1941 — 24, 19, 18 Jahre jung. Die Helden sind längst gefallen, Mensch. Hab‘ ich gesagt. Die letzten liegen bei Stalingrad im Massengrab.

Mutter weint sich die Augen aus um ihre beiden Söhne, liegt seit einer Woche nur noch schlaflos im Bett. Es ist, wie es ist. Gestern kamt Ihr zusammen zurück zu uns in die Heimat — im verlöteten Zinksarg. Laß die Dinger zu, Kamerad. Hat mir Euer Begleitoffizier gesagt. Ist kein schöner Anblick. Bewahr Dir Deine Söhne so, wie Du sie zuletzt gesehen hast. Er hat wohl recht. Es gab eine Anfrage von Eurer Division — Sie wollten Euch ein öffentliches Begräbnis abhalten, jemand vom Kanzleramt wollte ’ne Trauerrede halten. Mittrauern. Mutter wollte. Aber ich habe abgelehnt. Ich glaube, ich könnte mich vergessen, wenn die Bonzen ihre Reden schwingen und davon faseln, daß Ihr Deutschland verteidigt habt dort am Hindukusch. Frau Kanzlerin hat dort keinen Sohn verloren, da läßt es sich gut trauern um anderer Mütter Söhne. Naja, sie schickt ja mittlerweile auch nur noch ihre Redenschwinger. Wär‘ auch zuviel für die arme Frau sonst bei den vielen Toten dort mittlerweile.

Ich habe Eurem Opa gesagt, daß Ihr gefallen seid. Für seine 87 Jahre ist er noch erstaunlich gut dabei. «Tote Krieger sind in Walhalla, Junge. Mußt nicht traurig sein.» Dann fing er an, das Lied von den Alten Kameraden zu singen und weinte. Ich hab‘ ’ne Runde mitgeweint. Ist nicht schlimm, wenn ein Mann um seine Söhne weint, mh? Bringt ja nichts, Sohn. Ob Ihr nun bei Gott seid oder bei den alten Germanengöttern — Ihr seid nicht mehr. Und ich verstehe nicht, für wen, für was Ihr gefallen seid. Wohl für die BRD GmbH, auch ‚was…

Ich schließe jetzt meine Zeilen. Drück Maik ‚mal fest von mir. Wo immer Ihr jetzt seid, Ihr seid zusammen. Soviel ist klar. Man sieht sich, Sohn. Mach nichts, wofür Du Dich morgens früh schämen mußt, wenn Du in den Spiegel schaust beim Rasieren, hörst Du? Ich geh‘ jetzt in den Keller und such‘ ‚mal Opas alte Parabellum. Muß doch da irgendwo noch herumliegen, das Teil. Mutter meinte, das wäre jetzt richtig so. Und wie immer, hat sie ja recht. Wenn’s so etwas gibt wie’n Himmel für Soldaten, dann seh’n wir uns da, mh? Wenn nich‘, is‘ eh egal. Und Muttern bring‘ ich mit. Was soll sie so allein im Haus.

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dpa +++ BLITZ +++ BRÜDERPAAR MAIK U. FRANK S. +++ 1. LUFTLANDEDIVISION NAHE KUNDUZ GEFALLEN
Anschlag auf eine Kompanie der 1. Luftlandedivision Nähe Kunduz. 2 Tote, 14 z.T. Schwerverletzte. Angreifer konnten erfolgreich zurückgeschlagen werden. 8 Taliban-Terroristen erschossen. Kollateralschäden durch Friendly Fire unter der Zivilbevölkerung. Ergänzende Meldung in Kürze.
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Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Trauerfeier für die am 2. April in Kundus gefallenen Soldaten Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak.

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Neue Afghanistan-Strategie.

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24. April 2010: Trauerfeier in Ingolstadt.

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  1. Kommentar by Holger S. — 24. April 2010 @ 08:03

    Moin,
    das Ende ist zu krass. Das wirkt unglaubwürdig, daß sich die Eltern den Freitod geben. Ansonsten liest es sich authentisch. Danke.
    S.

  2. Kommentar by Preuße — 24. April 2010 @ 10:13

    Ja, zugegeben. Ich wollte so gern das Bild von der Parabellum einbauen. Eine Offizierswaffe aus dem Ersten Weltkrieg, gar nicht aus dem Zweiten, wie der Text vermuten läßt. So paradox es klingen mag: Die Parabellum 08 ist eine sehr schöne Handfeuerwaffe, regelrecht legendär.

    Aber das überzogene Ende ändert nichts an der Aussage der Erzählung an sich.

  3. Kommentar by Katzenblau. — 24. April 2010 @ 10:16

    Sie sind gegen diesen Krieg in Afghanistan, aber Sie sind kein Pazifist? Verstehe ich das richtig? Was haben Sie dann gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, eingebunden in die internationalen Streitkräfte der Weltgemeinschaft?

    MfG
    Katzenblau

  4. Kommentar by Jo Meier — 24. April 2010 @ 13:43

    Guten Tag, der Herr Preusse,
    bevor ich mir ein Urteil über einen Text erlaube bzw. seinen Autoren, versuche ich immer erst einmal zu verstehen, was ich da lese. Inhaltlich und von der Form her. Zum Inhalt habe ich keine Fragen. Ihr Standpunkt zum Thema ist ja offensichtlich. Aber zur Form: Wie ordnen Sie Ihren Text ein? Eine Dokumentation? Sie schreiben zwar in der Zukunft, nehmen aber Bezug auf aktuelle Ereignisse wie die heutige Trauerfeier. Eine politische Kritik an der deutschen Regierung? Ist Ihr Text nicht vielleicht zynisch gegenüber den Hinterbliebenen der Gefallenen? Fragen über Fragen. Bekomme ich eine Antwort?

  5. Kommentar by MR — 24. April 2010 @ 13:44

    Sie schwelgen ja regelrecht im Leid anderer. Wiederlich.

  6. Kommentar by Na, wenns sein muss... — 24. April 2010 @ 13:45

    warum bekomme ich keine antwort auf meinen kommentar von gesternnacht?

  7. Kommentar by Preuße — 24. April 2010 @ 14:49

    @ Katzenblau

    Ja, ich bin nicht nur gegen diesen Krieg, sondern ich bin gegen jeden Krieg, den die BRD führt, es sei denn, zur Verteidigung der Existenz Deutschlands (man beachte die Feinheit der Formulierung). Ich gehe in dieser Meinung auch konform mit dem uns von den Siegermächten geschenkten Grundgesetz, unserer vorläufigen Verfassung. (Und warte sehnsüchtig darauf, daß, wie ursprünglich in der Präambel zur Grundgesetz formulierten Form dam Deutschen Volke nach einer Wiedervereinigung ein Verfassungsentwurf zur Annahme vorgelegt und in einer geheimen und direkten Wahl von uns, dem Deutschen Volk, angenommen oder verworfen wird. Aus Sicht der BRD ist die Wiedervereinigung vollzogen, also wo bleibt nun die Wahl zur Annahme eines Verfassungsentwurfes? Ich sehe hier ein Paradoxon. Aus meiner Sicht ist Mitteldeutschland mit Westdeutschland wiedervereint, Ostdeutschland gehört heute zu Polen. Also entspricht das Verhalten der BRD meiner Erwartungshaltung und der der Präambel von 1947. Keine Wiedervereinigung — keine Verfassung.

    Nein, ich bin kein Pazifist. Ich bin der Meinung, daß eine Nation sich schützen muß gegen äußere Feinde, die sie eventuell angreifen will. Die Menschen sind nun einmal kriegerisch. Aber Krieg nur zur Verteidigung — deshalb haben wir ja auch einen Verteidigungsminister und keinen Kriegsminister. Wenn nun Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Herrn Ex-Verteidigungsminister Peter Struck zustimmt, daß die BRD Deutschland am Hindukusch verteidigt, dann denke ich spontan an Herrn Reichskanzler a.D. Adolf Hitler, der die westliche Welt durch seinen Angriff auf die friedliebende Sowjetunion vor dem Bolschewismus hat retten wollen. Was ihm bekanntlich nicht gelang. Woraufhin die Bolschewiki unser Land bis 1990 zur Hälfte ihrem Machtbereich einverleibte. Die andere Hälfte jedoch gehörte nach 1945 zur Freien Welt. Hurrah!

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    @ Jo Meier
    Ich habe eine Fiktion geschrieben. Ein, wie ich zugebe, mir wahrscheinlich erscheinendes Szenario aus der nahen Zukunft. Eine Dokumentation ist es nicht, dazu ist der Text zu latent emotional. So wählte ich die Form eines Offenen Briefes des Vaters an den toten Sohn, um die Fassungslosigkeit des Vaters zu beschreiben. Mag ja sein, daß Fränkie und Maik in den Himmel kommen, aber ich bezweifel, daß dort Post zugestellt wird.

    Ja, natürlich ist das eine Kritik. Allerdings nicht an einer deutschen Regierung, sondern am System der BRD. Ich unterscheide da sehr fein. Ich liebe Deutschland, mein Vaterland, aber nicht die BRD.

    Zynisch gegenüber den Hinterbliebenen? Nein, das kann ich nicht erkennen. Überhaupt ist nichts an meinem Text zynisch formuliert. Bitte nennen Sie Beispiele. Ich schildere Emotionen der Hinterbliebenen. Oder wollen Sie mir erzählen, daß diese sich mit der Sichtweise der Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel zu trösten vermögen «Sie starben für Deutschland»? Das hat Herr Dr. Goebbels von den Offizieren und Mannschaften der 6. Armee in Stalingrad auch behauptet. Und die Landser haben sich bei der Rundfunkübertragung der Rede in die Knöchel gebissen vor Wut. Der Herr Generalfeldmarschall Paulus, ja, der hat alles richtig gemacht. Hat überlebt, ging nachträglich in den Widerstand und wurde später in der DDR steinalt. Lerne: Die, die andere in den Tod schicken, leben zumeist länger als die Helden, die an der Front fallen.

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    @ MR
    Sie haben meinen Text nicht verstanden. Er fordert zum Nachdenken auf. Und bitte lassen Sie uns das Wort «widerlich» zukünftig ohne Gemeines-e schreiben, ja? Immer, wenn man den Wortteil «wieder» im Sinne von «erneut» verwendet, schreibt man es mit ie, sonst immer nur mit i. 😉

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    @ Na, wenns sein muss…
    Ich habe keinen Kommentar von Ihnen erhalten. Versuchen Sie es einfach noch einmal.

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