Preußisches Bleisatz-Magazin
Stimmungsbilder

Liebe, Hoffnung & Garotte 1.314 views 0

Liebt man, so legt man sich freiwillig eine Garotte um den Hals, gibt dem geliebten Menschen deren beide Holzgriffe in Obhut und hofft, daß dieser nie auf die Idee kommt, zuzuziehen. Angeblich soll das auch funktionieren. Paare trennen sich ohne Rosenkrieg und Verletzungen. So etwas soll es geben. Wobei es sich bei Paaren doch wohl mehrheitlich um zwei erwachsene Individuen handelt, deren Beziehung von beiden freiwillig zustande kam, aufrecht erhalten wurde und dann halt auch beendet wird. Wobei das Ende wohl zumeist von einem der beiden herbeigeführt wird. Aber das kennen wir wohl alle. Der, der die Beziehung beendet, hat zuvor sicher lange darüber nachgedacht und der Schlußstrich ist für ihn nur die Konsequenz einer Entwicklung. Der andere… naja, der andere… Das ist nach der Trennung schlicht sein Problem. Im allgemeinen gilt — so profan das klingt: Die Zeit heilt alle Wunden.

Wirklich alle? Sagen wir: Ja, bei Paaren wie zuvor beschrieben, im Normalfall schon. Was aber, wenn es sich in dieser Beziehung zwar um tief empfundene Liebe, aber nicht um die eines Paares handelt? Sondern eine andere familiäre Beziehung, wenn es sich um Blutsverwandtschaft handelt? Diese Beziehung kann man gar nicht auflösen, sie wird bis zum Tode fortbestehen. Nun hat es, glaube ich, die Natur so eingerichtet — was weiß denn ich, wie sie das macht? —, daß die Liebe bei Blutsverwandten Bestand hat. Sie ist eben keine selbstgewählte, die sich durch die Weiterentwicklung der beiden Individuen auseinander entwickeln kann. Diese Entwicklung spielt bei Blutsverwandten keine Rolle. Wenn sich nun einer dennoch — aus welchen subjektiv als richtig empfundenen Gründen aus dieser Beziehung löst — sich lossagt vom anderen, dann hat der Alleingelassene ein Problem. Denn hier heilt die Zeit nicht die Wunden. Im Gegenteil, denn die Zeit verrinnt und immerfort bleibt die Hoffnung. Die bei der Trennung eines Paares auch beim Verlassenen irgendwann abstirbt und somit Platz gibt für vielleicht etwas neues.

Die Hoffnung bleibt immer bestehen, daß der, der sich getrennt hat, irgendwie zu bewegen ist, die Beziehung wieder aktiv zu gestalten, den Kontakt wiederherzustellen, Liebe wieder anzunehmen, vielleicht gar, in welcher Ausdrucksform auch immer, zurückzugeben. Jedes kurze Wort, jede banale Äußerung wird vom Verlassenen geprüft, analysiert, als mögliches Indiz der Rückkehrwilligkeit ausgelegt. Eben weil die Hoffnung nicht stirbt.

Oder stirbt sie doch irgendwann? Oder bleibt die Garotte auf immer locker um den Hals hängend mahnend, ja, fast diabolisch Hoffnung schürend? Bis zum Ende? Vielleicht dann doch lieber selbst ihre Holzgriffe nehmen und zuziehen? Schlicht, damit Ruhe ist und die Qual des Verlassenen endet? Ist dies nun Schicksal, ohne daß es „Schuld“ gibt? Und wäre eine solche Zuweisung nicht völlig unerheblich?

Ja, man könnte ins Grübeln kommen.

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