Preußisches Bleisatz-Magazin
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Marion Gräfin Dönhoff: Preußen — Maß und Maßlosigkeit 3.387 views 0

In Ihrem Essay, bewußt zumindest in der Erstausgabe kleinformatig und schlicht gestaltet, zeigt die Gräfin Dönhoff nach einem kurzen Abriß der Geschichte Preußens, das Dilemma auf, in das sich das Preußische Ideal – und genau DAS ist Preußen und nicht ein ausschließlich geographisches Gebiet, bewirtschaftet von einer Nation gleichen Namens – mit Aufbau des Deutschen Reiches und dessen Gründung im Jahre 1871 befand.

Das Geschlecht derer von Dönhoff kann man als Verkörperung Preußens verstehen. Die Idee Preußens, dem sich auch der König selbst unterwarf – genau das machte das Preußische Ideal aus. Pflichterfüllung, Anstand zeigen, Verantwortung für seine Mitmenschen, sich einbringen in das Wir der Nation. Das war Preußen. Und die größte Tat Preußens war es – so sieht es die Gräfin in ihrem Werk – eben dieses Ideal bewußt in den Hintergrund zu schieben aus Verwantwortung gegenüber Deutschland. Es war klar, daß nach einer Reichsgründung durch die Einflüsse der anderen deutschen Stämme die reine preußische Lehre würde verwässert werden. Dies zu erkennen und dennoch die Pflicht zu empfinden und ihr zu folgen, also die Reichsgründung voranzutreiben und zu initiieren – das ist Preußen. Die leichte Wehmut, mit der die Gräfin Dönhoff vermerkt, für sie sei Preußen im Grunde genommen schon 1871 als einzigartiges Ideal verschieden, wird somit verständlich und nachvollziehbar.

Was nach 1871 folgte, war ein Beharren auf einem Preußen, das es nicht mehr gab. Wilhelm II. und seine unglückselige Rolle, die ihm sicher eine Mitverantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltenbrand vermittelt. Die Reduzierung des Preußischen auf das rein Militärische, also unpolitische, das auch zu einem Kadavergehorsam führte. Der unsägliche Mißbrauch des Preußischen Ideals durch die Nationalsozialisten – alles das geschah im Namen Preußens. Aber eines Preußens, das längst vergangen war und sich des Mißbrauches nicht mehr wehren konnte.

Den letzten Höhepunkt des bösen Spieles lieferte dann der Alliierte Kontrollrat der Siegermächte. Die sinnbildlich den Leichnam Preußens noch einmal ins Scheinwerferlicht zerrte und dessen Auflösung bekannt gab. Wie absurd. Gab es Preußen noch, so muß man sich fragen: Wie will man denn eine, ja, was? Eine Nation? Ein Ideal? Wie will man dieses Was-auch-immer auflösen? Gab es aber kein Preußen mehr – und daß dem so war, konnte jeder verstehen – wozu diente dann diese Posse? Der Demütigung der Besiegten?

Und so berührt uns Preußen auch heute noch. Irritiert, wird gepriesen und verhöhnt. Dient manchem als Ideal und vielen als Feindbild. Die Gräfin gehörte zweifellos zu Preußens Elite.

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